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Positionspapier zur Digitalen Lehre während der Coronapandemie

Am 03.02.2020 veröffentlichte der AStA ein Positionspapier, in dem die aktuellen Bedingungen der Digitalen Lehre kritisch geprüft werden und davon ausgehend eine Reihe von Forderungen zur Verbesserung ebendieser aufgestellt werden.

Inhalt

Vorwort
I. Psychosoziale und Sozioökonomische Probleme
1. Einsamkeit und Isolation
2. Tagesstruktur und „Zoom-Fatigue“
3. Technische Voraussetzungen
4. Studienfinanzierung
5. Forderungen Teil I
II. Qualität und Struktur der Lehre
1. Format der Lehre
2. Arbeitsaufwand
3. Infrastruktur (Bibliothek, PC-Pool, Arbeitsräume)
4. Digitale Medien und Lizenzen
5. Ausländische Studierende
III. Datenschutz und Sicherheitsaspekte
1. My Computer is my Castle. And I’m the king of my Castle!
2. Zoom
3. Schutz der Privatsphäre

Vorwort

Der AStA der Universität Trier hat am 06.01.2021 folgendes Positionspapier zur größtenteils digitalen Lehre während der COVID-19 Pandemie verabschiedet. Das Positionspapier richtet sich an Studierende, Lehrende und Verantwortliche in Universitätsleitung und Politik gleichermaßen. Es soll die vielfältigen Probleme und Herausforderungen, vor denen Universitätsangehörige während der Pandemie stehen, aufzeigen und für ihre Facetten sensibilisieren. Ziel ist es, Lehrenden Problemfelder und Handlungsalternativen aufzuzeigen sowie Studierenden einen Argumentationsrahmen zu bieten, um für ihre Belange eintreten zu können. Des Weiteren dient das Positionspapier als Argumentationsgrundlage gegenüber den Verantwortlichen in Universitätsleitung und Landesregierung für die aus Sicht des AStA notwendigen Anpassungen, Nachteilsausgleiche und Maßnahmen. Es ist abzusehen, dass auch das Sommersemester 2021 größtenteils digital stattfinden wird. Studierende erkennen die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung an und nehmen die von ihnen geforderte Verantwortung wahr. Jedoch gilt für das vergangene Sommersemester, das laufende Wintersemester und das kommende Sommersemester, dass für Studierende trotz Pandemie und digitaler Lehre keine Nachteile entstehen dürfen und bestmögliche Studienbedingungen gewährleistet werden müssen.

I. Psychosoziale und Sozioökonomische Probleme

Die fast ausschließlich digitale Lehre in Kombination mit sonstigen pandemiebedingten Einschränkungen hat für Studierende starke psychosoziale Belastungen und Einschränkungen zur Folge. Physical Distancing hat darüber hinaus grundsätzlich Einfluss auf die psychische und/oder physische Gesundheit. Besonders betroffen sind Studierende, die ohnehin bereits ihren Alltag mit psychischen wie physischen Erkrankungen bestreiten. Das Studium in der Pandemie ist außerdem von sozioökonomischen Problemen geprägt. Die technischen Voraussetzungen sind vielfach nicht gegeben und finanzielle Probleme lassen eine Fokussierung auf das Studium nicht zu. Hier wird das Studium während der Pandemie zur sozialen Frage.

1. Einsamkeit und Isolation

In der Pandemie mangelt es an notwendigem Austausch und Unterstützung. Regelmäßiger und persönlicher Kontakt mit Dozierenden und Studierenden ist in einem Studium unter Normalbedingungen selbstverständlich und vielfach Voraussetzung für einen Studienerfolg. Lerngruppen, gegenseitige Motivation und Informationsaustausch mit Kommiliton*innen sind hierfür unerlässlich, jedoch vielfach weggefallen. Für Arbeiter*innenkinder ist der Wegfall solcher Kontakte oft besonders nachteilig. Auch Gesprächstermine bei Dozierenden und intensive Seminardebatten sind oft nur noch eingeschränkt möglich. Neben den Auswirkungen auf die Studienqualität hat eine zunehmende Isolation nicht selten auch gesundheitliche Folgen. Besonders Studierende mit einer Erkrankung sind hiervon betroffen und können das Studium mit ausbleibender Unterstützung zum Teil kaum oder gar nicht bewältigen.

Gerade für Erst- oder Zweitsemester, die nichts anderes kennen als die Digitale Lehre, ist das Knüpfen neuer Kontakte nahezu unmöglich. Während sonst zahlreiche „Ersti“- Veranstaltungen zum gegenseitigen Kennenlernen einladen, ist dies in der digitalen Variante deutlich schwieriger. Für Zugezogene, besonders auch ausländische Studierende, kann sich schnell ein gravierendes Maß an Vereinsamung und Passivität einstellen. Das Fehlen sozialer und damit unterstützender Kontakte reduziert die Qualität des Studiums und kann sich auch auf die Motivation und Leistung der Studierenden auswirken. Für ausländische Studierende kommt der mangelnde kulturelle und sprachliche Austausch hinzu.

Aber auch anderweitig kann sich der unfreiwillige Rückzug auf den eigenen Wohnraum problematisch darstellen. So kann die Familienwohnung oder Wohngemeinschaft im Lockdown zu einem studienunfreundlichen Ort werden, in dem sich mit einem „Lagerkoller“ vergleichbare Situationen entwickeln können. Gerade im studentischen Kontext sind die Wohnbedingungen vielfach eng und prekär. Grundsätzlich ist es problematisch, wenn keine räumliche Trennung mehr von Privatem und Studium besteht.

2. Tagesstruktur und „Zoom-Fatigue“

Die Pandemie und die Umstellung auf die Digitale Lehre geht häufig mit dem Verlust einer Tagesstruktur einher, welche nicht nur für Studierende mit psychischen Beeinträchtigungen wichtig ist, um den Studienalltag zu bewältigen. Auslöser können neben dem Ausbleiben eines haltgebenden Campuslebens auch ein pandemiebedingter Verlust von Nebentätigkeiten, Hobbys und sozialen Kontakten sein. Ebenso ist die zeitliche Flexibilität der digitalen Lehre ein Grund hierfür. Daraus ergibt sich eine zusätzliche mentale Belastung, weil eine völlig neue Struktur etabliert werden muss. Durch den Verlust von Nebentätigkeiten und privaten Ausgleichsmöglichkeiten, fehlt zudem ein zentraler Baustein des täglichen Lebens, der wichtige soziale Aspekte erfüllt. Haben Studierende ohnehin schon in ihrem regulären Studienalltag Konzentrations- und Organisationsschwierigkeiten, fällt deren Leistungsfähigkeit in der Ausnahmesituation oft deutlich unter das bisherige Niveau zurück.

Auch beim Thema Tagesstruktur stellt sich die Problematik von Isolation und prekären Wohnsituationen. Mit Blick auf neue zeitliche Dynamiken in der digitalen Lehre soll an dieser Stelle betont werden, dass das Recht von Studierenden auf planbare Arbeitszeiten, angemessene Pausen und einen „Feierabend“ nicht dem neuen digitalen Alltag zum Opfer fallen darf (siehe TEIL 3 – Qualität der Lehre).

Des Weiteren kommt es durch eine deutlich gesteigerte Nutzung von Laptops o.ä. zu einer enorm erhöhten „Bildschirmzeit“. Auch, weil während der Pandemie nicht nur das Studium, sondern auch Treffen mit Freunden und Familie oder sonstige Freizeitbeschäftigungen und Ehrenämter vielfach Online stattfinden. Neben gesundheitlichen Auswirkungen (z.B. Migräne oder Beeinträchtigungen der Augen) sind Symptome wie Erschöpfung und Interessensverlust vielfach beschriebene und anerkannte Phänomene.

3. Technische Voraussetzungen

Grundlegend ist festzuhalten, dass viele Studierende nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine angemessene Teilhabe an der digitalen Lehre haben. Offenkundig sind Mängel in der digitalen Infrastruktur. So ist vielfach keine ausreichende Breitbandanbindung gegeben. Neben dem schlecht angebundenen ländlichen Raum (an der Universität Trier ein relevanter Faktor, da viele Studierende die Pandemie in ihrem Elternhaus verbringen) sind hier vor allem überlastete Leitungen in Mietshäusern, Wohnheimen und Wohngemeinschaften zu nennen. Doch nicht nur hier wird die soziale Dimension relevant. Eine ausreichende Internetverbindung und vor allem die Ausstattung mit elektronischen Endgeräten ist vielfach eine Frage des Budgets. Neben den pandemiebedingten finanziellen Problemen vieler Studierender sei hier auf die Benachteiligung von Betroffenen aus einkommensschwachen Familien verwiesen (siehe Punkt 4). Eine ausreichende private Ausstattung mit den technischen Erfordernissen kann und darf nicht vorausgesetzt werden.

4. Studienfinanzierung

Zwei Drittel der Studierenden in Deutschland gehen einem Nebenjob nach, um ihr Studium zu finanzieren (1). Ca. 40% haben diesen in der Pandemie verloren (2). Darüber hinaus ist für viele Studierende pandemiebedingt die finanzielle Unterstützung der Eltern weggebrochen, auf die viele angewiesen sind. Vor dem Hintergrund, dass nur noch ca. 12% der Studierenden BAföG bezieht wird klar, dass das Finanzierungssystem, wie es besteht, nicht mehr funktionier (3). Betroffene Studierende waren in der Pandemie mit finanziellen Sorgen beschäftigt und mussten neue Finanzierungswege suchen. Viele standen vor gravierenden Notlagen und mussten den Weg in die Verschuldung oder sogar den Studienabbruch gehen. Hintergrund hierfür sind u.a. die mangelhaften „Überbrückungshilfen“, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) parallel zu den (vom BMBF eigentlich bevorzugten) Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgelegt hatte. Die Kritik an den Maßnahmen wurde von einem großen bundesweiten Bündnis von Studierendenvertretungen in einem offenen Brief (4) aufgegriffen. Besonders betroffen sind auch internationale Studierende, welche kein BAföG beziehen können und für ihr Visum Finanzierungsnachweise vorlegen müssen. Vor dem Hintergrund von Finanzierungssorgen, Existenz- und Verschuldungsängsten war für viele Studierende nicht an ein Studium im Regelverlauf zu denken.

Nicht nur hier wird klar, dass die Pandemie zu einer sozialen Frage wird und Probleme der Bildungsgerechtigkeit verschärft und in den Fokus gerückt werden. Besonders betroffen sind hier häufig Arbeiter*innenkinder, welche besonders von Nebeneinkünften abhängig sind und mangels finanzieller Unterstützung durch die Eltern auch besonders von Studienabbrüchen bedroht sind. Eine Dunkelziffer sind diejenigen aus dieser Gruppe, die sich auf Grund der Pandemie erst gar nicht für ein Studium entscheiden. Aber auch in der digitalen Lehre ist diese Gruppe, wie bereits in Punkt 1 erwähnt, oft besonders betroffen. Sei es der mangelnde Austausch im Studium, prekäre Wohnsituationen oder fehlende technische Ausstattung. Somit ist eine Verbesserung der Studienbedingungen während Corona auch notwendig, um einen pandemiebedingten Abbau von Bildungsgerechtigkeit zu verhindern.

5. Forderungen Teil I

Um psychosozialen Belastungen und sozioökonomischen Problemen entgegenzutreten, fordert der AStA der Universität Trier die Umsetzung von „Kann-Semestern“ für die gesamte Pandemie. Studierenden muss die Möglichkeit gegeben werden zu studieren und Leistungspunkte erwerben zu können. Für Studierende, die dies nicht tun, sollte kein Nachteil entstehen. Hierbei reicht die Pandemie als solche als Begründung aus. Eine Einzelfallprüfung ist nicht angemessen. Die Forderung des AStA ist übereinstimmend mit denen des bundesweiten Bündnisses Solidarsemester. Um die Forderung umzusetzen benötigt es:

  • Die Erhöhung der Regelstudienzeit für das Wintersemester 2020/2021 (und Sommersemester 2021): Hintergrund ist neben Fristen von Stipendien o.ä. die, an die Regelstudienzeit gekoppelte, Förderhöchstdauer des BAföG. Der AStA begrüßt sowohl sehr, dass sich das Land im Sommer für eine entsprechende Gesetzesänderung entschieden hat, als auch das Engagement der Universität Trier in dieser Sache. Nun muss die Regelung auch für die gesamte Pandemiedauer frühzeitig auf Landesebene umgesetzt werden. Der ausbleibende Regelungswille des BMBF diesbezüglich darf nicht erneut für Verzögerungen sorgen. Hier kann die Universität erneut mit einem entsprechenden Senatsantrag voranschreiten.
  • Die Einführung von zusätzlichen Fehlversuchen: Studierende sollen ermutigt werden trotz Pandemiebedingungen Prüfungen anzutreten, ohne dass ihnen Nachteile daraus erwachsen können. Die Universität hatte sich (nach entsprechendem Antrag aus der Studierendenschaft im Senat) gegen eine derartige Regelung entschieden, obwohl sie den Regelungsbedarf gesehen hatte. Hintergrund waren formale Bedenken, wonach Studierende, die bereits Prüfungsleistungen abgelegt hatten, ungleich behandelt worden wären. Diese Auffassung teilt der AStA nicht, kommt dies doch einer Gleichbehandlung im Unrecht gleich. Andere Hochschulen des Landes, wie die Universität Mainz und die Universität Koblenz-Landau hatten diese Bedenken ebenfalls nicht geteilt und für das Sommersemester entsprechende Regelungen erlassen. Die Universität soll eine entsprechende Regelung rückwirkend für das Sommersemester prüfen sowie für das laufende Semester umsetzen. Auch die Landesregierung hatte eine derartige Regelung begrüßt, dies aber der Autonomie der Hochschulen überlassen.
  • Fristen-Freiheit: Wir begrüßen es sehr, dass die Universität Trier hier bereits vorangegangen ist. Rücktrittsfristen für Prüfungen und Wiederholungsfristen wurden über die Corona-Prüfungsordnung angepasst. Auch dies gilt es für den Rest der Pandemie zu verstetigen. Ebenso würde es der AStA begrüßen, würde die Verlängerung der Fristen für Prüfungsleistungen wie im Sommersemester wiedereingesetzt.
  • Angemessene Finanzhilfen des Bundes durch eine Öffnung des BAföG. Ohnehin muss das BAföG System grundlegend reformiert werden und im Zuge dessen um eine Digitalpauschale erhöht werden. Alternativen aus Landesmitteln müssen ebenso geprüft werden und Lösungen für die prekäre Personalsituation am BAföG Amt an der Universität Trier gefunden werden. Auch für internationale Studierende müssen ausreichende Finanzhilfen geschaffen werden. Die Finanzierungsnachweise für Visa müssen ausgesetzt und die Anmeldung von Selbstständigkeit generell erlaubt werden.

Außerdem kann die Universität durch folgende Maßnahmen die Studienbedingungen in der Pandemie verbessern. Der AStA fordert darum:

  • Den Ausbau der psychologischen Beratungsangebote. Auch wenn Angebote wie das Campusohr aus der Psychologie einen wichtigen Beitrag liefern, sehen wir die Verantwortung auf Seiten der Universität. Hierfür muss das Land zusätzliche Mittel bereitstellen.
  • Stärkere Vernetzung von Studierenden. Dies können zum einen Dozierende anregen, in dem sie den Austausch in beständigen Gruppen ermöglichen und fördern. Zum anderen kann die Universität hier durch das Auflegen eines Pat*innenprogramms helfen. Im kommenden Semester müssen angemessene Alternativen für die Orientierungswoche umgesetzt werden.
  • Die Verbesserung der Qualität und Struktur der Digitalen Lehre. Ausführungen hierzu sind Teil II zu entnehmen:

II. Qualität und Struktur der Lehre

Neben der sicherzustellenden Qualität der Lehre kommt der Ausgestaltung der digitalen Lehre auch bei der Entschärfung von psychosozialen Belastungen und sozioökonomischen Problemen eine entscheidende Rolle zu. Der AStA der Universität Trier fordert darum in Bezug auf die digitale Lehre folgendes:

1. Format der Lehre

Die Umsetzung digitaler Formate stellen Dozierende und Studierende vor besondere Herausforderungen. Ziel sollte es sein, das Format möglichst gleichwertig zu übertragen. Das bloße Bereitstellen von Folien oder Skripten ist hierbei nicht ausreichend und inakzeptabel. Vor dem Hintergrund der Freiheit der Lehre, kann die Universitätsleitung hier primär appellativ aktiv sein. Umso wichtiger ist es, dass Studierende hier selbst auf Missstände aufmerksam machen. Jedoch ist für Studierende ohne ausreichend schnelle Internetverbindung eine Alternative zur synchronen Lehre als Angebot durchaus begrüßenswert.

Um genannte Belastungen minimieren zu können, sollen Vorlesungen grundsätzlich aufgezeichnet und asynchron bzw. hybrid gehalten werden. Während die Bewahrung des Diskurses wichtig ist und darum langfristig der Präsenzcharakter von Seminaren erhalten bleiben muss, so ist die Aufzeichnung von Vorlesungen auch unabhängig von der Pandemie im Sinne eines barrierefreien und sozialverträglichen Studiums.

2. Arbeitsaufwand

Die Arbeitsbelastungen in der digitalen Lehre sind enorm gestiegen. Bereits die BolognaReform beförderte eine weitreichende Verschulung der Universität. Mit der digitalen Lehre hat sich dieser Trend fortgesetzt. Dozierende kompensieren die Präsenzlehre vielfach durch eine enorm gestiegene Zahl von Teilaufgaben, sprich Hausaufgaben. In vielen Seminaren sind viele Studienleistungen zu erbringen, die einem Schulunterricht ähnlicher sind als einem universitären Studium. Die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, an die immerzu appelliert wird, scheint hier unwichtig, geht es doch um die Rechtfertigung von Creditpoints. Die entstandene Mehrfachbelastung durch einen gesteigerten Arbeitsaufwand (dessen Legitimitätsgrundlage ohnehin sehr zweifehlhaft ist) verschärft die psychosozialen Belastungen und sozioökonomischen Probleme. Während die Universitätsleitung dies bereits erkannt hat und vielfach bereits nachgesteuert wurde, besteht hier noch immer Handlungsbedarf, weswegen wir fordern diese Verschulung zu stoppen und die Menge an Studienleistungen abzubauen. Die Zunahme alternativer und kreativer Studienleistungen z.B.: Podcast Folgen oder YouTube-Videos sind grundsätzlich begrüßenswert. Jedoch ist mit Blick auf die Arbeitsbelastung, aber auch unter Beachtung der nicht garantierbaren technischen Voraussetzungen und datenschutzrechtlicher Aspekte, wichtig, dass immer auch ein gleichwertiges „traditionelles“ Format möglich sein sollte. Die persönliche Entscheidung der Studierenden darf ihnen nicht zu ihrem Nachteil gereichen, noch sollten sie durch mangelnde Alternativen unter Druck gesetzt werden. Grundsätzlich sollten Dozierende auch darin geschult werden, nicht-öffentliche Plattformen wie z.B. den digitalen Campus des Landes RLP zu nutzen.

Neben der Zunahme des Umfangs der Arbeitsaufträge hatte die digitale Lehre auch Auswirkung auf deren Frequenz sowie der Kommunikation zwischen Dozierenden und Studierenden im Allgemeinen. Das digitale Studium erfordert erst recht, dass hier eine Disziplin auf beiden Seiten gewahrt werden muss. E-Mails mit Hinweisen und Arbeitsaufträgen sollten, wenn überhaupt, zu den Seminarzeiten erfolgen. Es ist wichtig, dass durch die digitale Lehre keine Dauer-Verfügbarkeit gefordert wird und dass Studierende ihren Arbeitsaufwand einschätzen und einplanen können. Ebenso wichtig ist, gerade vor dem Hintergrund psychosozialer Aspekte, dass die Freizeit als solche gewahrt bleibt (Siehe Teil 1).

3. Infrastruktur (Bibliothek, PC-Pool, Arbeitsräume)

Es ist anzuerkennen, dass sich die Nutzung der Bibliothek nach den geltenden CoronaBekämpfungsmaßnahmen richten muss. Eine geschlossene oder eingeschränkt geöffnete Bibliothek bedeutet jedoch eine massive Einschränkung für das Studium in all seinen Facetten. Umso mehr besteht hier der Bedarf nach umfangreichen Nachteilsausgleichen. Wir fordern, dass stets der größtmögliche Umfang des Angebots realisiert wird. Die Bibliothek bietet mit Hygienekonzepten ausreichende Möglichkeiten für angemessene Lösungen. Wir sind der Ansicht, dass die Bibliothek sowohl durch den Gesetzgeber, als auch die Universität in der Auslegung, als Kern der Universität nach besonderen Maßstäben behandelt werden muss und nicht leichtfertig geschlossen oder eingeschränkt werden darf.

Dies gilt ebenso für die PC-Pools und Arbeitsplätze. Die Schließung bzw. Einschränkung dieser, wirken sich vor allem nachteilig auf Personen aus, die nicht selbst über die technischen Vorrausetzungen oder Lernräume verfügen. Alternativ zu geöffneten PC-Pools müssen Landesmittel für eine ausreichende Ausstattung aller Studierenden bereitgestellt werden und beispielswiese eine Computerbörse durch die Universität geschaffen werden. Freie Seminarräume müssen mit Hygienekonzept für Betroffene geöffnet werden, um zumindest eine angemessene Lernatmosphäre und Internetverbindung gewährleisten zu können. Informationen über die aktuell geltenden Möglichkeiten und Einschränkungen müssen noch klarer kommuniziert werden.

4. Digitale Medien und Lizenzen

Eine positive Entwicklung der digitalen Lehre ist der Einkauf von Lizenzen für E-Medien aller Art. Gerade in Fächern wie z.B. Jura in denen chronischer Buchmangel herrscht, ist es essenziell, einen digitalen Zugang zu Lernmitteln zu schaffen. Dies macht teilweise auch den Aufenthalt in der Bibliothek nicht mehr nötig, da so auch Ausgaben des Präsenzbestandes einsehbar wären. Perspektivisch sollte man die Lehre auch nach Corona stärker durch dauerhaft verfügbare digitale Medien ergänzen und Lizenzen erwerben, um eine gute Versorgung der Studierenden mit Lernmitteln sicherzustellen.

5. Ausländische Studierende

Die Digitale Lehre stellt ausländische Studierende vor besondere Herausforderungen, die zu berücksichtigen sind. Onlineveranstaltungen stellen für die Interaktion eine besondere Hürde dar und eine ausreichende Beteiligungsmöglichkeit sowie Einübung der Sprache bleibt vielfach aus. Auch die akustische Qualität der Lehrveranstaltungen spielt eine enorme Rolle, wenn es um Zweitsprachen geht. Bei Aufzeichnungen fehlt hier zudem die Möglichkeit direkter Verständnisfragen.

Es mangelt zudem an ausreichender fremdsprachiger Literatur und E-Medien für internationale Studierende, um das Studium zu bestreiten. Auch bei der Nutzung der Bibliotheksangebote müssen Barrieren durch noch bessere englische bzw. internationale Einführungen ermöglicht werden, gerade wenn sie aktuell vor allem digital genutzt wird. Auch wenn das Erlernen der deutschen Sprache durchaus Teil des Studiums im Ausland ist, sollten zumindest genügend Beratungsmöglichkeiten geschaffen werden, um sich auch ohne Sprachkenntnisse zurechtzufinden.

III. Datenschutz und Sicherheitsaspekte

Neben psychosozialen und sozioökonomischen Facetten und der Ausgestaltung der digitalen Lehre können datenschutzrechtliche Aspekte nebensächlich erscheinen. Jedoch ist die Integrität persönlicher Daten und Systeme in einer digitalen Gesellschaft zu einem ebenso zentralen wie wichtigem Gut geworden, das auch in Ausnahmesituation nicht ausgehebelt werden darf.

1. My Computer is my Castle. And I’m the king of my Castle!

Allgemein ist der Grundsatz festzuhalten, dass jeder PC sein eigenes System mit eigener Integrität ist und jede Installation von Software ein elementarer Eingriff darin ist. Hierbei werden sowohl datenschutz- als auch sicherheitstechnische Aspekte im höchstprivaten Lebensbereich berührt. In einer digitalen Lehre, die fast ausschließlich durch private Endgeräte bestritten wird, ist dies von akuter Relevanz. Eine Installation von Software sollte darum in der Regel ein „kann“ und kein „muss“ sein. Eine Alternative hierzu wäre der Ausbau der Nutzungsmöglichkeiten der PC-Pools. In der Realität der behelfsmäßigen digitalen Lehre sieht dies oft anders aus, was punktuell nachvollziehbar ist. Dennoch muss der hier formulierte Grundsatz den Leitrahmen bilden.

Viele Veranstaltungen nutzen eine Vielzahl von Plattformen und Software, die erforderlich sind, um die Veranstaltung zu absolvieren. Neben dem Aspekt, dass diese Vielfalt nutzerunfreundlich ist, kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten wie Überlastungen, Sicherheitslücken oder Defekten führen. Alter oder Voreinstellungen des Geräts können die Nutzung teils komplett unmöglich machen. Technischer Support sollte in jedem Fall gewährleistet werden können. Grundsätzlich ist anzustreben, sich in der Auswahl universitätweit auf wenige, aber etablierte Plattformen und Programme zu beschränken. Zusätzliche Angebote sind zu begrüßen, müssen aber diesen Angebotscharakter tatsächlich erfüllen.

2. Zoom

Die Videokonferenzsoftware „Zoom“ ist momentan zentraler Bestandteil der digitalen Lehre an der Universität. Die Wahl von Zoom ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass es sich als eine der leistungsstärksten Plattformen erwiesen hat und die Nutzung in der Pandemie kurzfristig umsetzbar war. Dennoch ist Zoom nicht alternativlos. In der Auswahl eines Konferenztools sollten unter anderem auch Aspekte des Datenschutzes miteinbezogen werden. Zu solchen Erwägungen zählen Fragen nach der Erhebung, dem Verbleib und der Verarbeitung von Daten. Es gibt vielerlei Anforderungen an datenschutzkonforme Kommunikation, von denen letztlich die einzelnen Nutzer*innen profitieren. Zoom schneidet in der Gesamtwertung im Umgang mit Nutzer*innendaten nicht gut ab: Eine Analyse der Lizenzbedingungen durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zeigt, dass bei der Nutzung unzulässigerweise nicht ausgeschlossen wird, dass Daten in Zukunft an noch nicht näher bestimmte Verarbeiter gelangen könnten. Weiter bemängelt der Beauftragte auch den Umgang mit der Löschung von Daten, die nach dessen Auffassung nicht DSGVO konform ist.

Von Seiten der Universität wird in diesem Kontext auf die eigene, gesonderte Zoom-Lizenz hingewiesen, welche datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht werden würde. Verfolgt man jedoch die Datenwege der Software nach, so stellt man fest, dass bei der Nutzung Daten in die USA verschickt werden. Da es sich bei Zoom Video Communications (der Anbieterfirma der Software) um ein Unternehmen aus Kalifornien handelt, verwundert dies nicht. Problematisch ist zudem, dass die zur Datenverarbeitung bestimmten Server für Zoom durch Amazon zur Verfügung gestellt (gehostet) werden. Auch im Kontext datenschutzrechtlicher Bedenken, ist in Bezug auf Zoom (und Amazon) auf die Problematik von Monopolbildungen in der Datenverarbeitung durch Unternehmen hinzuweisen.

Als Alternative ist Zoom sukzessive durch sicherere Open Source Programme wie Big Blue Button zu ersetzen, welches kostenlos ist und weniger Sicherheitslücken enthält. Hierbei steht die Instanz des Virtuellen Campus RLP zur Verfügung, dessen Leistungskapazitäten durch das Land ausgebaut werden müssen.

3. Schutz der Privatsphäre

Die Wohnung ist Teil der persönlichen Privatsphäre und ihre Unverletzlichkeit ist grundgesetzlich verankert. Ebenso verfügt nicht jede*r Studierende über eine eigene Kamera. Aus diesem Grund besteht bekanntermaßen zu keiner Zeit eine Pflicht in Veranstaltungen jeder Art die Kamera anzuschalten. Seminare, in denen die Teilnehmenden ihre Kamera anschalten, sind wünschenswert, da es oft zu einem besseren Arbeitsklima beiträgt. Dennoch darf weder dazu aufgefordert werden, noch dürfen Studierenden Nachteile entstehen, falls dem nicht nachgekommen wird. Hier bedarf es einer fairen Kommunikation auf Augenhöhe: Lehrende können für die Nutzung von Kameras werben, jedoch darf zu keiner Zeit eine Pflicht hierzu suggeriert oder indirekt erwirkt werden. Dass derartige Praxis weiterhin vorkommt ist inakzeptabel. Selbes gilt für Anwesenheitspflichten. Diese wurden für die Dauer der Pandemie ausgesetzt und dürfen folglich nicht kontrolliert werden.

Quellen

(1) http://www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_hauptbericht.pdf
(2) https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-dienstag-117.html#Umfrage-40-Prozent-derStudierenden-verlieren-Job-wegen-Corona
(3) https://www.bafoeg-rechner.de/Hintergrund/art-2416-bafoeg-statistik-2019.php
(4) https://www.lak-rlp.org/wp-content/uploads/2020/05/Offener_Brief_Studieren_iZv_Corona_RLP.pdf